Public Viewing auf dem Lande. Ja. Doch. Natürlich. Auch. Da traf es sich gut, dass in dem kleinen rheinhessischen Ort, in dem ich lebe, am Wochenende Weinfest war. Das Zelt war sowieso aufgebaut, es gab zu essen und zu trinken. Und da am letzten Abend des Weinfestes das erste Spiel der deutschen Nationalmannschaft auf dem Plan stand und ein verlassen daliegender Festplatz auch nicht so das Wahre ist, lag der Gedanke nah: Wir machen Public Viewing.
Als wir uns gestern um halb acht auf den Weg "ins Ort" machen, ist es ruhig in den Straßen. Vor uns ein paar Kiddies im Deutschland-Trikot mit Vuvus. Trööt. (Ich finde es gar nicht so einfach, einen gleichmäßigen Ton aus einer Vuvuzela herauszubekommen – das geht den Jungs vor uns wohl ähnlich. Elefant. Maus. Gekreische. Alles dabei. Sie gickeln sich halbtot. Nur ein Ton? In Südafrika vielleicht. Bei uns: Von wesche. )
Kerb und Weinfest finden bei uns am Platz bei der alten Schule mitten im Ort statt. Der ohnehin spärliche Verkehr wird umgeleitet. Der Public Viewing-Gedanke trägt - zwar ist heute abend nicht das ganze Dorf da – die so genannten Neubürger scheinen sich eher zurückzuhalten - aber Festplatz und Zelt sind gut gefüllt. Und anscheinend gibt es im ganzen Ort keinen Menschen, der kein Deutschland-Trikot besitzt. South Africa. DFB. Daneben gibt es: Deutschland-Mützen in Ballform, Fahnen aller Größen, Deutschland-Puschel, schwarzotgoldene Tröten und Riesenwinke-Hände, vereinzelt Schals, Kappen.
Auch wir sind mit Adler da, aber natürlich mit einem anderen. Ein kurzer Orientierungsblick ins Zelt, dort werden grade noch die letzten Strippen gezogen und die Lausprecherboxen zurechtgestellt. Das Bild auf der Leinwand flimmert. Wir holen uns schnell noch eine Bratwurst mit lecker Pommes. Ein paar Regentropfen fallen. Neben dem Getränkestand ist ein Fernsehapparat aufgestellt, ein Baldachin darüber gespannt – hier bildet sich ein kleiner Pulk, der die Vorteile einer schnellen Getränkezufuhr höher einschätzt als die Größe des Bildschirms.
Um kurz nach 8 verlagert sich der Großteil des Geschehens allmählich ins Innere des Zeltes. Lachen, schwätzen. "Ei Gude.." Mit Fußball hat das nur am Rande zu tun, aber die Stimmung ist gut. Neben uns am Tisch ein Stammtisch älterer Damen, alle mit einem Schöppsche vor sich, bekleidet mit Trikots und Deutschland-Girlanden um den Hals. Hinter uns ein Trupp Jugendlicher (ich vermute: der Kerbejahrgang). Auch sie fast alle in Trikots, die meisten ohne Aufdruck - einen Schweinsteiger erkenne ich. Einen Ballack. Und Otto.
Die Mannschaften nehmen Aufstellung. Flackern. Flimmern. Das Bild ist weg. Kollektives aufstöhnen. Hurra, da isses wieder. Die Mannschaften laufen ein. Neuer, Mertesacker, Friedrich – jeder hat ein kleines, schwarzes Kind an der Hand, nur neben Poldi läuft ein äußerst pausbäckiges weißes Mädchen. Bei der Nationalhymne erhebt sich im Zelt der ein oder andere von seinem Sitz. Was singen die da? Wird die Nationalhymne etwa in Südafrika ebenfalls getrötet? Auf der Leinwand sehe ich im Publikum den Kopf von Uwe Seeler leuchten. Er singt. Hat die Hymne schon angefangen? Auch die Jungs des DFB-Teams scheinen das nicht recht zu wissen und öffnen und schließen irgendwie zeitversetzt ihr Münder – ist doch ok. Jeder singt irgendwas und am Ende hören alle zusammen auf. „….laaaand.“ Auch Jogi, der mit Sakko und blauem Shirt wieder trés chic aussieht. Am gleichartigen modischen Outfit erkennt man dann auch gleich, dass Hansi Flick ebenfalls dazu gehört und wichtig ist.
Kurz vor Anpfiff habe ich das Gefühl, dass ich vielleicht doch ein klitzekleines bisschen aufgeregt bin. Der sichtlich unter Strom stehende dicke Herr mir gegenüber vermeldet: „Jetzt…jetzt geht’s los!“ Und er hat recht. Die Australier starten erstaunlich offensiv (Bela Rethy: „Damit hatte niemand gerechnet.“ Ei, vielleicht mache ses deshalb?). Boah – ein Raunen geht durchs Zelt – der hätte eigentlich drin sein müssenkönnen. Aber dann kommt doch alles wie es kommen muss. Poldi trifft, Klose versemmelt und trifft dann doch und das Zelt bebt und jubelt. Meine Beziehung zur deutschen Nationalmannschaft ist eine durchaus gespaltene, mein Tipp vor dem Spiel war ein 1:1 – deswegen bin ich schon überrascht über das Auftreten. Das sieht gut aus. Von hinten heraus wird das Spiel aufgebaut und in die Breite gezogen und dann blitzschnell auf Angriff umgeschaltet – die Bälle in die Spitze kommen präzise. Poldi legt ein, zwei Mal ganz wunderbar den Ball steil in den Lauf von Özil, Thomas Müller und Philipp Lahm setzen sich wechselseitig auf der rechten Seite in Szene. Khedira, der das Spiel antreibt. Immer wieder Özil, der wuselt, verzieht, wieder neu ansetzt. Die Australier sind schwach, sehr schwach. Du liebes bisschen – was für ein Abwehrverhalten. Zwei Meter vom Mann weg. Müller, Özil, Poldi gehen immer wieder problemlos vorbei. Stellungsspiel scheint es keines zu geben – immer wieder startet ein deutscher Spieler in den freien Raum, steht bei Flanken besser zum Ball, nimmt den kürzeren Weg. Die Nationalmannschaft steht mir wahrlich nicht sehr nah, die Australier sind grottenschlecht, aber – doch: Ehre wem Ehre gebührt - das da ist mit Abstand das bisher beste Spiel bei dieser WM.
In der Halbzeitpause verziehen wir uns nach draußen, allmählich sinkt die Dämmerung herab, die Lichterketten flimmern und durch den Eisenzaun, der den Festplatz einzäunt, können wir das Spiel auf der Leinwand weiterverfolgen. Wir holen uns noch einen Schoppen, der jetzt in der zweiten Halbzeit nur noch 1 Euro 50 kostet, im Zelt wird das 3:0 bejubelt. Käsebrötchen sind alle, aber Mett gibt es noch und die sind auch sehr lecker. Durch die Stäbe des Zauns sehe ich Cacaos Jubel über das 4:0, am Bratwurststand wird jetzt eine überdimensionale Deutschland-Fahne gehisst. Abpfiff. Jubel. Vereinzeltes vuvuzeln. Erstaunlich schnell leert sich das Gelände. Auch wir leeren unser Gläser und machen uns auf den Nachhause weg. Auf der Hauptstraße, die durch den Ort führt, begegnet uns der Autokorso: Drei hupende Autos, eine Fahne, eine Vuvuzela: Trööt.
PS:
Anmerkung meines Mit-Adlers: „Fast schon dämonisch finde ich das Komma.“ (Das befindet sich hinter dem Rudolph - mit ph - da, wo leider der Blitz drüber liegt.) Und es stimmt.
Als wir uns gestern um halb acht auf den Weg "ins Ort" machen, ist es ruhig in den Straßen. Vor uns ein paar Kiddies im Deutschland-Trikot mit Vuvus. Trööt. (Ich finde es gar nicht so einfach, einen gleichmäßigen Ton aus einer Vuvuzela herauszubekommen – das geht den Jungs vor uns wohl ähnlich. Elefant. Maus. Gekreische. Alles dabei. Sie gickeln sich halbtot. Nur ein Ton? In Südafrika vielleicht. Bei uns: Von wesche. )
Kerb und Weinfest finden bei uns am Platz bei der alten Schule mitten im Ort statt. Der ohnehin spärliche Verkehr wird umgeleitet. Der Public Viewing-Gedanke trägt - zwar ist heute abend nicht das ganze Dorf da – die so genannten Neubürger scheinen sich eher zurückzuhalten - aber Festplatz und Zelt sind gut gefüllt. Und anscheinend gibt es im ganzen Ort keinen Menschen, der kein Deutschland-Trikot besitzt. South Africa. DFB. Daneben gibt es: Deutschland-Mützen in Ballform, Fahnen aller Größen, Deutschland-Puschel, schwarzotgoldene Tröten und Riesenwinke-Hände, vereinzelt Schals, Kappen.
Auch wir sind mit Adler da, aber natürlich mit einem anderen. Ein kurzer Orientierungsblick ins Zelt, dort werden grade noch die letzten Strippen gezogen und die Lausprecherboxen zurechtgestellt. Das Bild auf der Leinwand flimmert. Wir holen uns schnell noch eine Bratwurst mit lecker Pommes. Ein paar Regentropfen fallen. Neben dem Getränkestand ist ein Fernsehapparat aufgestellt, ein Baldachin darüber gespannt – hier bildet sich ein kleiner Pulk, der die Vorteile einer schnellen Getränkezufuhr höher einschätzt als die Größe des Bildschirms.
Um kurz nach 8 verlagert sich der Großteil des Geschehens allmählich ins Innere des Zeltes. Lachen, schwätzen. "Ei Gude.." Mit Fußball hat das nur am Rande zu tun, aber die Stimmung ist gut. Neben uns am Tisch ein Stammtisch älterer Damen, alle mit einem Schöppsche vor sich, bekleidet mit Trikots und Deutschland-Girlanden um den Hals. Hinter uns ein Trupp Jugendlicher (ich vermute: der Kerbejahrgang). Auch sie fast alle in Trikots, die meisten ohne Aufdruck - einen Schweinsteiger erkenne ich. Einen Ballack. Und Otto.
Die Mannschaften nehmen Aufstellung. Flackern. Flimmern. Das Bild ist weg. Kollektives aufstöhnen. Hurra, da isses wieder. Die Mannschaften laufen ein. Neuer, Mertesacker, Friedrich – jeder hat ein kleines, schwarzes Kind an der Hand, nur neben Poldi läuft ein äußerst pausbäckiges weißes Mädchen. Bei der Nationalhymne erhebt sich im Zelt der ein oder andere von seinem Sitz. Was singen die da? Wird die Nationalhymne etwa in Südafrika ebenfalls getrötet? Auf der Leinwand sehe ich im Publikum den Kopf von Uwe Seeler leuchten. Er singt. Hat die Hymne schon angefangen? Auch die Jungs des DFB-Teams scheinen das nicht recht zu wissen und öffnen und schließen irgendwie zeitversetzt ihr Münder – ist doch ok. Jeder singt irgendwas und am Ende hören alle zusammen auf. „….laaaand.“ Auch Jogi, der mit Sakko und blauem Shirt wieder trés chic aussieht. Am gleichartigen modischen Outfit erkennt man dann auch gleich, dass Hansi Flick ebenfalls dazu gehört und wichtig ist.
Kurz vor Anpfiff habe ich das Gefühl, dass ich vielleicht doch ein klitzekleines bisschen aufgeregt bin. Der sichtlich unter Strom stehende dicke Herr mir gegenüber vermeldet: „Jetzt…jetzt geht’s los!“ Und er hat recht. Die Australier starten erstaunlich offensiv (Bela Rethy: „Damit hatte niemand gerechnet.“ Ei, vielleicht mache ses deshalb?). Boah – ein Raunen geht durchs Zelt – der hätte eigentlich drin sein müssenkönnen. Aber dann kommt doch alles wie es kommen muss. Poldi trifft, Klose versemmelt und trifft dann doch und das Zelt bebt und jubelt. Meine Beziehung zur deutschen Nationalmannschaft ist eine durchaus gespaltene, mein Tipp vor dem Spiel war ein 1:1 – deswegen bin ich schon überrascht über das Auftreten. Das sieht gut aus. Von hinten heraus wird das Spiel aufgebaut und in die Breite gezogen und dann blitzschnell auf Angriff umgeschaltet – die Bälle in die Spitze kommen präzise. Poldi legt ein, zwei Mal ganz wunderbar den Ball steil in den Lauf von Özil, Thomas Müller und Philipp Lahm setzen sich wechselseitig auf der rechten Seite in Szene. Khedira, der das Spiel antreibt. Immer wieder Özil, der wuselt, verzieht, wieder neu ansetzt. Die Australier sind schwach, sehr schwach. Du liebes bisschen – was für ein Abwehrverhalten. Zwei Meter vom Mann weg. Müller, Özil, Poldi gehen immer wieder problemlos vorbei. Stellungsspiel scheint es keines zu geben – immer wieder startet ein deutscher Spieler in den freien Raum, steht bei Flanken besser zum Ball, nimmt den kürzeren Weg. Die Nationalmannschaft steht mir wahrlich nicht sehr nah, die Australier sind grottenschlecht, aber – doch: Ehre wem Ehre gebührt - das da ist mit Abstand das bisher beste Spiel bei dieser WM.
In der Halbzeitpause verziehen wir uns nach draußen, allmählich sinkt die Dämmerung herab, die Lichterketten flimmern und durch den Eisenzaun, der den Festplatz einzäunt, können wir das Spiel auf der Leinwand weiterverfolgen. Wir holen uns noch einen Schoppen, der jetzt in der zweiten Halbzeit nur noch 1 Euro 50 kostet, im Zelt wird das 3:0 bejubelt. Käsebrötchen sind alle, aber Mett gibt es noch und die sind auch sehr lecker. Durch die Stäbe des Zauns sehe ich Cacaos Jubel über das 4:0, am Bratwurststand wird jetzt eine überdimensionale Deutschland-Fahne gehisst. Abpfiff. Jubel. Vereinzeltes vuvuzeln. Erstaunlich schnell leert sich das Gelände. Auch wir leeren unser Gläser und machen uns auf den Nachhause weg. Auf der Hauptstraße, die durch den Ort führt, begegnet uns der Autokorso: Drei hupende Autos, eine Fahne, eine Vuvuzela: Trööt.
PS:
Anmerkung meines Mit-Adlers: „Fast schon dämonisch finde ich das Komma.“ (Das befindet sich hinter dem Rudolph - mit ph - da, wo leider der Blitz drüber liegt.) Und es stimmt.
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